Geburtstagsfeier in Augsburg
Geschwister Jung waren der Höhepunkt
Die Sportakrobaten in Augsburg-Hochzoll feiern 50sten Geburtstag
Unendlich viele bayerische Meisterschaften, jede Menge nationale Titel, einige internationale Medaillen und ein Vize-Weltmeistertitel. So lautet die stolze Bilanz des Sportakrobatikvereins (SAV) Augsburg-Hochzoll. In diesem Jahr feiert der Verein seinen 50sten Geburtstag. Der große Festakt im Verein hat bereits stattgefunden, im November soll mit einem hochkarätigen Wettkampf der sportliche Teil folgen.
„Der SAV hat in seiner Geschichte überragende Leistungen geboten“, zollt auch Oberbürgermeister Dr. Paul Wengert den Hochzollern Anerkennung. Insbesondere denkt er dabei wohl an die Geschwister Karin und Doris Jung (Bild). Noch heute sind diese beiden Ausnahmeathletinnen nicht nur im Verein, sondern in ganz Augsburg vielen ein Begriff. In den 60er Jahren, als die Sportakrobatik noch Kunstkraftsport hieß, domi- nierten sie die Szene nach Belieben und sammel- ten gemeinsam rund 30 deutsche Meistertitel. Als 1973 die Sportakrobatik international wurde und sich dabei stark veränderte, blieben sie trotz dieser Hürden unangefochten an der Spitze. Auf der ersten Weltmeisterschaft in Moskau 1974 wurden sie Vizeweltmeister, zwei Jahre später in Saarbrücken gewannen sie Bronze. „Das war die Blütezeit unseres Vereins“, weiß Vorstand Hans Martin Schipfel und bedauert, diese Jahre nicht selbst aktiv miterlebt zu haben. Die größten Erfolge „seines“ Vereins kann er nur in Zeitungsaus- schnitten nachlesen. „Die Familie Jung hat damals für die Sportakrobatik gelebt. Die Mutter war Trainerin, Funktionärin auf höchster nationaler Ebene und internationale Kampfrichterin, der Vater ebenfalls Trainer und Pressewart im Verein. Da blieb den Töchtern eigentlich gar nichts anderes übrig, als Spitzenakrobatinnen zu werden“, weiß Schipfel von Vorstandskollegen und den älteren Vereinsmitgliedern. „Genau dieses unendliche Engagement für den Sport fehlt uns heute ein wenig, bei Trainern, Sportlern und Eltern. Für die meisten spielt Sport nur eine untergeordnete Rolle und damit hat der SAV hart zu kämpfen“, erklärt Schipfel, warum heute in Augsburg nicht mehr an internationale Klasse in der Sportakrobatik zu denken ist. Und dadurch werde man natürlich auch weniger beachtet als früher.
Im Jubiläumsjahr will der SAV jedoch wieder auf sich aufmerksam machen. Mit der deutschen Mannschaftsmeisterschaft der Junioren und Senioren konnten die Augsburger Funktionäre den attraktivsten Wettkampf in die Fuggerstadt holen, der auf nationaler Ebene ausgetragen wird. Insbesondere das Duell der beiden Topfavoriten Württemberg und Sachsen dürfte für die Zuschauer ein echter Leckerbissen werden. Im Training setzt man derzeit alles daran, bei diesem Heimwettkampf auch eine Formation aus den eigenen Reihen präsentieren zu können. Sandra Maresch, Julia Koberstein und Isabelle Glavina rechnen sich momentan die besten Chancen aus, ins bayerische Team nominiert zu werden. Auf der bayerischen Meisterschaft im April hatten sie die Konkurrenz klar im Griff und siegten verdient. Seither trainieren sie immer intensiver für den großen Höhepunkt im Herbst. Die deutsche Mannschaftsmeisterschaft in Augsburg soll der letzte gemeinsame Auftritt der drei werden. Die 14-jährige Glavina wird als Oberfrau einfach zu groß und schwer. Sie und Koberstein werden der Wettkampftruppe des SAV weiterhin erhalten bleiben, die 29-jährige Maresch wird wahrscheinlich nach über zehn Wettkampfjahren dem SAV als Trainerin weiterhelfen.
Auch wenn sich derzeit alle Blicke auf den Wettkampf am Jahresende richten, so brachte das erste Halbjahr doch auch viel Positives mit sich. Neben fünf bayerischen Meistertiteln konnte der SAV schon nationale Erfolge verbuchen: Das Jugendtrio Tamara Starowetzky, Sibel Senyuva und Alina Schuster ging bei der deutschen Mannschaftsmeisterschaft der Schüler und Jugend in Baunatal an den Start und landete mit dem Team Bayern auf dem vierten Platz. Derzeit scheint es, als befinde sich die Sportakrobatik nicht nur in Augsburg, sondern im ganzen Freistaat wieder auf dem Vormarsch. Bis man wieder an der Spitze mitmischen kann, liegt allerdings noch ein weiter und steiniger Weg vor den Hochzoller Akrobaten, Trainern und Funktionären.
Kleine Geschichte des SAV Augsburg-Hochzoll
Was man heute kaum glauben kann: Kunstkraftsport, also der Vorgänger der heutigen Sportakrobatik, war nach dem Krieg fast eine Trendsportart und vor allem bei jungen Männern sehr beliebt. Während der SAV heute einzigartig in ganz Schwaben ist, gab es in den fünfziger Jahren durchaus zahlreiche Kunstkraftsportvereine in der Region. Hervorgegangen aus einer Abteilung der TSG Augsburg-Hochzoll war der SAV von Anfang an erfolgreich: Parterregruppen wie die „Augsburger Jungs“, die „Fuggerstädter“ oder die „Carols“ gewannen bis in 70er Jahre hinein ebenso zahlreiche deutsche Meistertitel wie die Luftgruppen „Die Augustus“ oder „Die Rupperts“. Wenige Jahre nach der Gründung formierte sich auch das künftige Führungsgespann. Mit Johann Binapfl als Vorstand und Erhard Swoboda als technischem Leiter lenkten jahrzehntelang zwei Gründungsmitglieder und selbst erfolgreiche Kunstkraftsportler den Verein und brachten ihm viel Erfolg und Anerkennung ein. Augsburg war nicht nur durch seine aktiven Sportakrobaten bekannt, sondern auch durch seine national und international gewichtigen Funktionäre. Nach den Geschwistern Jung und dem Umbruch zur Sportakrobatik (siehe oben) konnte der SAV auch weiterhin Anschluss an die internationale Spitze halten. Das Damen-Trio Karin Schuster, Christine Hafner und Sabine Swoboda brachten es bis zur Weltcup-Bronze- medaille, das Herren-Paar Alex Graßmann und Robert Jilg gar bis zur Vize-Europameisterschaft und zu WM-Bronze. Mit der Europameisterschaft 1985 und der Weltmeisterschaft 1990 durfte das Augsburger Publikum zweimal hochklassige Akrobatik vor der eigenen Haustüre bewundern, zwei Events, die die Karrieren der Funktionäre Binapfl und Swoboda krönten. Den bislang letzten internationalen Erfolg erzielten Stefan König, Daniel Sommer, Alex Graßmann und Martin Sommer mit dem Gewinn des Junioren-Vize-Weltmeistertitels 1991 in Peking. Heute kann der SAV auf nationaler Ebene hinter Württemberg und Sachsen nur noch eine untergeordnete Rolle spielen. Seit 2003 versucht der neue Vorstand Hans Martin Schipfel, den Verein wieder nach oben zu führen.
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